Archiv für die Kategorie ‘Internetkultur’

Aktive Sitzposition in der Nische

Sonntag, 28. März 2010

US-Schriftsteller Dave Eggers stapelt im Welt-Interview mit Wieland Freund tief. Eingangs angesprochen auf den Vergleich mit Bono antwortet er: „Er steht auf einer Bühne, auf der wir Schriftsteller nie stehen werden. Wir sitzen immer in der Nische. Ich bin wahrscheinlich einfach der Typ, der jeden nervt.“ Das verbindet ihn doch wieder mit Bono, der auch schon gewaltig nerven kann. Dabei für sich und in der Sache sehr erfolgreich.

Welt, 27.03.10, Titel: "Die Leute lieben Print"

Dave Eggers hat neben mehreren journalistischen Romanen auch das Drehbuch zu „Wo die wilden kerle wohnen“ geschrieben, den alternativen Verlag „Mc Sweeney’s“ und das Bildungsprojekt  „826 National“ gegründet. Tantiemen aus Verkaufserlösen steckt er wieder in gemeinnützige Projekte, weil er sagt: „Wir haben ein Haus, Geld zurück gelegt für das College der Kinder, alle haben anzuziehen und zu essen. Wenn dafür gesorgt ist, was dann?“ Sehr sympathisch, vor allem für einen erfolgreichen Autor und Unternehmer. Radikal neue Ideen, behauptet er, erreichten die USA (und vermutlich entsprechend auch andere Nationen) über ein Buch. Über Unwege kommt das Gespräch gegen Ende auf sein Verlegertum und den Buchmarkt zurück. „Die Leute lieben Print“ sagt Dave Eggers in diesem Zusammenhang, während er zu Hause keinen Internetzugang besitzt und sich nur durch Zeitungen informiert.

In diesem Zusammenhang der Einschub bezogen auf einen anderen Artikel aus derselben Zeitung, Die Welt, vom Freitag:

Welt, 27.03.10, Titel: "Times" ist online nur noch gegen Gebühr zu lesen

Der Konzern „News Corp“ baut aktuell sein kostenpflichtiges Angebot massiv aus. Die Kosten für Online-Nutzer der „Times“ belaufen sich auf ein Pfund pro Tag (etwa 1,11 Euro) oder zwei Pfund pro Woche, lediglich für Abonnenten der gedruckten Ausgabe bleibt der Online-Zugang kostenfrei. Die nicht mehr unbeschränkte Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen Verlagsinhalten im Internet berührt den guten Dave Eggers nach diesem Modell so oder so nicht (erstens bevorzugt er Print und zweitens hat er vermutlich das eine oder andere Abonnement).

Neben der „Times“ und der „Sunday Times“ werden der Welt zufolge auch die Boulevardblätter „Sun“ und „The News of the World“ im Internet kostenpflichtige Artikel anbieten. Bisher hatten lediglich einige Wirtschaftszeitungen wie die „Financial Times“ und das „Wall Street Journal“ ihre Internetangebote kostenpflichtig gemacht. Die „New York Times“ wird 2011 folgen. Eine Frage der Zeit, bis auch die Verlinkung auf die Welt-Artikel wie in diesem Beitrag so nicht mehr möglich sein wird. Allerdings stimme ich Dave Eggers zu – um auf das Interview zurück zu kommen – dass die Kostenloskultur der Zeitungsverlage im Internet (selbst-)“zerstörerisch gewirkt“ hat. Daher bringt der Verlag McSweeney’s auch Zeitschriften heraus mit dem Anspruch, „besser zu sein, als sie es vor zehn oder 15 Jahren waren, als die Konkurrenz noch nicht so groß war.“

Welt, 27.03.10, Zitat Dave Eggers aus "Die Leute lieben Print"

Kleine und große Datenverbrechen

Freitag, 26. März 2010

Stiftung Warentest befindet die Sicherheit von Internet-Communities für mangelhaft. Demnach gehen die zehn untersuchten Soziale Netzwerke mit den Daten ihrer Mitglieder nicht sorgfältig genug um. Während jedoch die großen Konzerne mit ihren Verbrechen ohne Strafverfolgung durchkommen, werden die kleinen Verbrecher, die sich in Netzwerken outen, gefasst. Als Beispiel der Berichterstattung nur eine von mehreren hundert Schlagzeilen zu diesem Thema aus dem Kölner Stadt-Anzeiger:

Kölner Stadt-Anzeiger, 26.03.10, Titel: Löcher in sozialen Netzwerken

 Am besten mit nur „einigen Mängelön“ schnitten demnach die beiden Netzwerke der VZ-Gruppe, schuelervz.net und studivz.net ab, gefolgt von vier Portalen mit „erheblichen Mängeln“, jappy.de, lokalisten.de, wer-kennt-wen.de und xing.com. Das unrühmliche Schlusslicht der Untersuchung bilden die vier Sozialen Netzwerke in der Reihenfolge: stayfriends.de, facebook.de, linkedin.de und myspace.de. Bei Xing, Facebook, Linkedin und Myspace führte zur Abwertung, dass die Anbieter eine Prüfung der Datensicherheit durch einen „kontrollierten Einbruchsversuch“, sprich eine genehmigte Hackerattacke verweigerten.

Auffällig jedoch, dass die drei letztgenannten US-Seiten deutlich schlechter abschnitten als die deutschen. Daher sprach Holger Brackemann von der Stiftung Warentest von einem „kulturellen Unterschied“ zwischen den Seiten von den beiden entgegengesetzten Seiten des Atlantischen Ozeans. Facebook und Myspace waren zudem die einzigen der getesteten Netzwerke, bei denen auch der Umgang mit den Nutzerdaten als mangelhaft bewertet wurde. Bei Myspace wurden insgesamt mehr als 20 unwirksame Klauseln in den Datenschutzrichtlinien festgestellt, bei Facebook gewisse Formulierungen lediglich als „willkürlich und intransparent“ bezeichnet.

Sehr gute Noten erhielten dagegen nur die beiden VZ-Netzwerke in der Kategorie Nutzerrechte sowie SchülerVZ für den Umgang mit den Nutzerdaten. Beid en sechs genehimgten Hackerattacken kam allerdings kein Anbieter über ein ausreichend hinaus; vor allem beim Einloggen über W-Lan auf mobilen Enmdgeräten liegen die Zugangsdaten für Neugierige quasi wie ein aufgeschlagenes Buch vor. Der Appell der Stiftung Warentest an die Netzwerke nach verbesserter Datensicherheit wird sicherlich ungehört verhallen, es ist an den Nutzern, sich um die eigene Datensicherheit zu kümmern.

Der Bundesverband Digitale Wirtschaft allerdings lobt das „hohe Datenschutzniveau der deutschen Netzwerke“. Diese Einschätzung als Aufmacher zu wählen halte ich für etwas übertreieben, wenngleich der BVDW direkt anschließt, er nehme „die durch die Stiftung Warentest aufgezeigten Mängel im Bereich der Datensicherheit sehr ernst und wird daher zusammen mit den im Verband organisierten Netzwerken an einer Verbesserung arbeiten“. Bereits im vergangenen Jahr wurde ein Leitfaden erarbeitet: „Sicherer Einstieg in Soziale Netzwerke – 10 Tipps, die Nutzer beachten sollten„. Jedenfalls sollten Verbrecher gemäß dem elftem Gebot „Du sollst dich nicht erwischen lassen“ nicht in den Netzwerken über ihre unrechten Taten prahlen, wie der Kölner Stadtanzeiger in einem Zusatzartikel verdeutlicht.

 Kölner Stadt-Anzeiger, 26.03.10, Titel: Eine wahre Fundgrube für die Polizei

Ungeduld und Interessenmängel

Donnerstag, 25. März 2010

Vor- und Nachteile des alltäglichen digitalen Austausches. Die harten Fakten vorne weg: 83 Prozent der 14- bis 17-Jährigen und 67 Prozent der 18- bis 29-Jährigen tauschen sich täglich online aus, zwei Drittel der Jugendlichen chatten regelmäßig, etwa die Hälfte der unter 25-Jährigen nutzt Soziale Netzwerke wie Facebook oder StudiVZ. Diese Zahlen entstammen der diesjährigen Ausgabe der Studienreihe „Gesprächskultur in Deutschland„, die das Institut für Demoskopie Allensbach im Aufrag von „Bild der Frau“ und „Jacobs Krönung“ erstellt hat. Holger Kreitling zitiert diese Angaben in der heutigen Welt.

Welt, 25.03.10, Titel: Schau mir in die Augen, Kleines? Nicht im Netz!

Neben der Print- und Online-Veröffentlichung mit dieser einigermaßen umständlichen Überschrift ist derselbe Artikel auch erschienen unter der Schlagzeile: „Die Jugend lebt in Digitalien„, nicht minder gewollt. Dabei ist das Ergebnis – auf der Studien-Homepage als „Gesprächskultur 2.0“ tituliert – gar nicht so sehr überraschend. Holger Kreitlings Vergleich mit seiner Oma Elise, die bereits in den 1930er Jahren telefonierte, allerdings nur kurz und knapp um sich zu verabreden, greift durchaus: „Die Taktfrequenz erhöht sich“.

In diesem Zusammenhang wurden auch Umstände von Gesprächen abgefragt, wobei sich erneut die typischen Unterschiede zwischen Jung und Alt zeigten: Während ältere Menschen dabei großen Wert auf Augenkontakt legen, spielt der nur noch für weniger als die Hälfte der jungen Leute  eine wichtige Rolle. (Daher die Überschrift.) Etwas problematisch ist für mich aber der Begriff der „Geborgenheit“, den die Kommunikationswelt im Internet für Jugendliche ausstrahlen soll, „eine Höhle, die gleichzeitig weit und offen und hell ist“ und das Gefühl vermittle, nicht allein zu sein. (Hier kommt der Begriff „Digitalien“ auch im Fließtext ins Spiel.)

Einen ernsten Anlass zur Besorgnis sehe ich darin ebensowenig wie Renate Köcher vom Institut für Demoskopie Allensbach. Soziale Netzwerke würden vorwiegend genutzt, um bereits bestehende Kontakte zu pflegen. Reale Kontakt seien auch für Jugendliche zum Aufbau einer echten Freundschaft unerlässlich. Sehe ich auch so. Beim Chat unter Fremden dient das Netz aus eigener Erfahrung eher hervorragend dazu, sich falsche Vorstellungen zu machen. Doch sind persönliche Gespräche durch die heutigen (und vermutlich auch die künftigen) Formen der Web 2.0-Kommunikation nicht zu ersetzen, auch nicht für die „Jugend von heute“. Diesen Aspekt stellen andere Blätter in ihren Besprechungen in den Vordergrund, so Christian Unger im Hamburger Abendblatt, oder der ddp-Bericht in der Aachener Zeitung.

Die wirklich beunruhigenden Aspekte der Studie nennt Holger Kreitling ganz zum Schluss, obwohl die für mich in die Schlagzeile gehört hätten: Die Verhaltensformen verschlechtern sich insoweit, als die Ungeduld in der Kommunikation zunimmt und als die Interessensgebiete der jungen Leute sich en gros verschmälern. „Die Bereitschaft zu gesellschaftlichen Debatten wird wohl rapide schwinden“, schlussfolgert der Welt-Autor, da viele Jugendliche sich nur noch um sich selber drehen. Zudem gehe die Fähigkeit zu schweigen im allgemeinen Grundrauschen verloren. O.k., bin ja schon still.

Wochenend-Presseschau 11-10

Montag, 22. März 2010

Rückblick auf die Buchmesse Leipzig und die Investorentage der Telekom in Hinblick auf das Geschäft mit digitalen Inhalten. Bereits am vergangenen Freitag brachte Eckhard Fuhr den Leitartikel in der Welt zum Buch im Zeitalter des Internets. Am selben Tag bringt die FAZ einen Artikel zur Duiskussion der Digitalisierung auf der Leipziger Buchmesse und legt am nächsten Tag mit dem Beitrag von Stephan Finsterbusch nach, wonach vor allem kleine Unternehmen davon profitieren könnten. Schließlich blickt die Thomas Heuzeroth in der Welt am Sonntag zurück auf die Investorentage der Deutschen Telekom AG, bei denen Rene Obermann die „Strategie 2.0“ vorstellte.

WamS, 21.03.10, Titel: Die Deutsche Telekom rüstet sich für die nächste Phase des Internetzeitalters

Zentrale Passage des Beitrags für mich: „Das gesamte klassische Geschäftsmodell werde durch die Internet-Technologie auf den Kopf gestellt, sagte er.“ (…) „Tatsächlich soll die Telekom in fünf Jahren bereits jeden zweiten Euro außerhalb des klassischen Netzgeschäfts verdienen.“ Der Konzern soll nicht mehr nur Daten durchreichen („Bit Pipe“) sondern im Inhaltegeschäft kräftig mitverdienen („Smart Pipe“). Laut heutiger Financial Times Deutschland plant der Konzern „bis Jahresende eine übergreifende technische Plattform für alle Endgeräte und sämtliche medialen Inhalte“.

FAZ, 20.03.10, Titel: Bücher aus Bits und Bytes

Erträge aus dem Vertrieb digitaler Produkte erhoffen sich offenbar auch auf die deutschen Verlagshäuser, nachdem ihnen bei der Entwicklung dieses Geschäftsbereichs amerikanische Mitbewerber bereits um einiges voraus sind. Stephan Finsterbusch zählt die Initiativen einiger deutscher Unternehmen auf, denen an der Digitalisierung der Buchbranche gelegen ist. Im Gegensatz zu Amazon und Barnes & Nobles in den USA böte dieser Geschäftszweig hierzulande vor allem kleinen Unternehmen wie Textunes (E-Books von rund 100 Verlagen für Handies) und Plastic Logic (berührungsempfindliche E-Bookreader „Que“, produziert in Sachsen) eine Chance.

FAZ, 19.03.10, Titel: Das E-Book wird als Hoffnungswert gefeiert

Obwohl der E-Book-Markt bisher kaum ein Prozent des 4 Milliarden Euro schweren deutschen Buchmakrtes ausmacht, wird er in Leipzig offenbar doch als Heilsbringer bewertet. Diesen Schluss legt jedenfalls der FAZ-Beitrag vom Freitag nahe. Dazu wird der IT-Branchenverband Bitkom zitiert, wonach 2,9 Millionen Deutsche planten ein digitales Buch zukaufen. Ich gehöre nicht dazu. Immerhin macht der Wissenschaftsverlag Springer nach eigenen Angaben bereits 40 Prozent aller Buchumsätze mit elektronischen Büchern.

Welt, 19.03.10, Titel: Wenn der Autor verschwindet

Eckhard Fuhr setzt in seinem Welt-Leitartikel vom Freitag denn auch dabei an, dass sich das gedruckte Buch „im Sturm der Digitalisierung“ behaupten werde: „Die individuelle Körperlichkeit des Buches ist von so großer praktischer, ästhetischer und sinnlicher Attraktivität, dass dagegen tragbare Bildschirmchen aller Art nicht ankommen.“ Mir persönlich ist es ehrlich gesagt zu mühsam, nach einem Tag am Schreibtisch abends zum Lesen wieder einen Apparat anzustieren.

Allerdings zielt der Leitartikler auf einen anderen Punkt. Nachdem in den vergangenen vier, fünf Jahren die Buchmesse „neue Medien, neue Techniken, neue Vertriebswege“ diskutiert habe, stehe in diesem Jahr eigentlich „das Konzept von Autor- und Urheberschaft“ im Mittelpunkt. Ausgehend von den Diskussionen um Helene Hegemanns Erstling „Axolotl Roadkill“ verdeutlicht Eckhard Fuhr, dass die vorgeschobene Einstellung eines „Rechts zum Kopieren“ die bürgerliche Kultur zu zerstören drohe.

Abgesehen von der wirtschaftlichen Bedeutung geistigen Eigentums geht es um eine kulturelle Errungenschaft, die unter dem Deckmantel der digitalen Revolution vorschnell aufgegeben werden soll. Oder ein Kritiker, der den Roman zuerst als „authentische Wortmeldung einer neuen Generation“ bewertete, muss anschließend die Größe zeigen und zugeben: Intertextualität ist, wenn ich das Spiel mit Quellen offenlege. Wenn ich dies nicht tue, ist es Plagiarimus.

Digitale Überbewertung

Freitag, 19. März 2010

Welt, 19.03.10, Titel: Digitale Außenseiter

Was ist das denn für eine erschreckende Erkenntnis, die die Welt heute auf Seite 1 präsentiert? Die Deutschen seien in der Mehrheit nicht in der Internet-Gesellschaft angekommen, schreibt Frank Schmiechen unter Berufung auf eine Studie der Initiative D21: Demnach besäße nur etwa ein Viertel der Deutschen die nötige „Kompetenz, Nutzungsvielfalt und Wissen über digitale Medien“. Dabei hatte noch zum Start der Computermesse Cebit der IT-Branchenverband Bitcom behauptet: Für die Mehrheit der Deutschen ist das Internet ein fester Bestandteil des Alltags (texthilfe.de berichtete).

Im Wirtschaftsteil der heutigen Welt dann die ganze Wahrheit: „Die Deutschen sind immer noch Internet-Muffel„. Nils Lange führt aus, was das Deutsche Digitale Institut erforscht hat: Sechs Nutzertypen lassen sich qualifizieren, wobei die „digitalen Außenseiter“ mit 35 Prozent die größte Gruppe bilden, knapp gefolgt von den „Gelegenheitsnutzern“ mit 30 Prozent. Die weiteren Nutzergruppen – übrigens sehr süß illustiert auf der D21-Unterseite „Digitale Gesellschaft“ – sind „Digitale Profis“ (12 Prozent), „Trendnutzer“ (11 Prozent), „Berufsnutzer“ (9 Prozent) und die „Digitale Avantgarde“ (3 Prozent).

Die digitalen Außenseiter sind laut der Umfrage von TNS Infratest aus dem Dezember 2009 zu zwei Dritteln weiblich und haben vielfach sogar Angst vor den Computer. Ihr Durchschnittsalter beträgt 62 Jahre, das der Gelegenheitsnutzer dagegen 41 Jahre. Schockiert zeigte sich über das Ergebnis Ulrich Herrmann, Mitbegründer und Mitglied des Gesamtvorstands des gemeinnützigen Vereins D21, er befürchtet „eine Einschränkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft auf dem globalisierten Markt“.

Ist es nun schlimmer, dass die Deutschen bislang offenbar nicht den international geforderten Stand der Internetnutzung erreicht haben  oder sollten wir uns nicht freuen, dass dem anhaltenden Internethype einmal ein Dämpfer verpasst wird? Tatsächlich wird jedoch nirgends ein internationaler Vergleich herangezogen. Und im Zusammenhang mit der Cebit wurden verschiedentlich die aktuell guten Chancen der deutschen Internetwirtschaft beschworen (vgl. texthilfe.de). Zudem muss nach meiner Einschätzung nicht unbedingt jeder im Internet und am Computer alles können. Die Grundfertigkeiten sind immerhin doch ganz schön weit verbreitet. Und da gibt es auch noch eine reale Welt da draußen. Vielleicht wird sie wieder stärker bemerkt, wenn der Frühling sich weiter durchsetzt.

Die Welt, 19.03.10, Titel: Datenschützer fordern Radiergummi für das Internet

Ganz lustig, aber auch bezeichnend finde ich in dem Zusammenhang einen weiteren Artikel aus der heutigen Welt unter obigem Titel. Vielleicht würden auch noch mehr Leute das Internet (noch) bedenkenloser nutzen, wenn es den digitalen Radiergummi gäbe , der das Auslöschen einmal eingetragener Datensätze beispielsweise in Sozialen Netzwerken einfacher ermöglicht. Denn die Ängste vor dem Internet und teilweise auch vor den großen, neuen Internetkonzernen mögen teilweise diffus sein, sie sind teilweise auch berechtigt (vgl. nochmals texthilfe.de).

Leipziger Zukunftspläne

Donnerstag, 18. März 2010

Die heute beginnende Leipziger Buchmesse beschäftigt sich schon seit längerem nicht mehr nur mit Druckerzeugnissen, sondern auch mit Hörbüchern bzw. E-Books, die in diesem Jahr erstmals auch in der Messebuchhandlung verkauft und dann per E-Mail zugestellt werden. Das veranlasste die Welt bereits gestern zu fragen:

Welt, 17.03.10, Titel: Brauchen wir in Zeiten des E-Books überhaupt noch Verleger?

Dazu befragte Verleger bejahen dies, was nicht weiter verwundert, da auch Journalisten bei der Frage nach ihrer Existenzberechtigung in Zeiten des Leserreporters diese im Zweifel bejahen würden. Weitaus interessanter fällt dagegen die Selbsteinschätzung einzelner Verleger aus. Georg Reuchlein von Random House sieht tendenziell nur eine Verschiebung der Kompetenzen unter anderem als „passionierte Vertriebsexperten“, „vernetzte Lizenzhändler“, „ausgefuchste Marketingstrategen“ und „akkurate Honorarbuchhalter“.

Vittorio E. Klostermann, Verleger des nach ihm benannten Wissenschaftsverlages, baut ebenfalls auf die sowohl für Autoren wie für das Publikum wegweisende Arbeit seiner Zunft: „Dadurch, dass Verlage auch Projekte anregen, gezielt gute Autoren akquirieren und thematische Buchreihen publizieren, schaffen sein Programm, haben ein nach außen wahrnehmbares Gesicht.“ Daniela Seel vom Lyrik- und Prosaverlag kookbooks sieht ihre Aufgabe entsprechend unter anderem darin, „Aufmerksamkeit zu organisieren, filtern und steuern“. Für Ulrich Störiko-Blume vom Jugendbuchverlage Boje führt „Leidenschaft und Kalkül“ ins Feld, mit denen der Verleger seine oft risikoreichen Entscheidungen trifft. „Das Kalkül verbietet uns, das Heil allein im E-Book zu suchen, statt sich auf die technisch ausgereiftere Produktform Buch zu stützen.“

Zudem ist aufgrund von lieb gewonnen Lesegewohnheiten davon auszugehen, dass trotz eines erwartbaren Booms von E-Books auch die herkömmlichen Bücher weiterhin eine entscheidende Rolle im Branchenmix spielen werden. Der stellvertretende verlegerische Leiter bei Suhrkamp Thomas Sparr verweist auf die Begriffsherkunft für „verlegen“, hebräisch für „ans Licht bringen“. Auch er ist überzeugt, das Buch lasse sich durch das Internet nicht ersetzen, daher würde sein Verlag zum Beispiel auch im Herbst Jaron Laniers Manifest „You are not gadget“ herausbringen.

Schließlich gibt Detlef Felten, Cheflektor von C.H. Beck, zu bedenken, dass Lektoren „den Tisch decken, an dem der Leser Platz nimmt“. Verlage kümmerten sich um die Produktion, den Vertrieb, die Pressearbeit und ausländische Lizenzen. Er schließt: „Seien wir froh, dass wir noch ein paar solcher Verleger haben (denen es um möglichst viele erstklassige Bücher geht), und flicken wir ihnen nicht dauernd mit Urheberrechtsnovelle, open access und Verüberflüssigundgedabbetn am Zeug.“

Telekom verpasst den Turn-Around

Donnerstag, 18. März 2010

Die Deutsche Telekom hat gegenüber Investoren ihre neue Strategie vorgestellt, wonach das mobile Internet künftig einer der wichtigsten Wachstumstreiber des Unternehmens sein soll. Daneben setzt Unternehmenschef René Obermann auf den Bereich „Connected Home“ sowie auf  IT-Dienstleistungen wie „Cloud Computing“  für Geschäftskunden. Das hat unter anderem Friedemann Siering heute im Kölner Stadt-Anzeiger berichtet:

Kölner Stadt-Anzeiger, 18.03.10, Titel: Mehr Umsatz mit mobilem Internet

Die konzerneigenen Internetangebote sollen ausgebaut werden, heißt es da weiter. In ihrem Kommentar „Die Kosmetik des Herrn Obermann“ im heutigen Handelsblatt schreibt Sandra Louven, dass diese Aussagen kein solides Kaufmannsgebahren erkennen ließen:  „Auf dem Investorentag vor zwei Jahren hat er noch angekündigt, dass er bis 2010 das deutsche Festnetzgeschäft stabilisieren werde. Nun aber fasst er den Mobilfunk, der noch leicht wächst, und das Festnetz zusammen und gibt als neue Zielmarke für eine Stabilisierung der beiden Bereiche das Jahr 2012 aus. Das sieht nach dem Versuch aus, zu kaschieren, dass er sein Ziel nicht erreicht hat. Ein solider Kaufmann würde auf solche Kosmetik verzichten.“

Neue Technik und alte Inhalte

Dienstag, 16. März 2010

Bei dem schwachen Medienecho des 4. Kölner Mediensymposiums fällt die Orientierung vergleichsweise leicht: Lediglich der Kölner Stadt-Anzeiger und die Mitteldeutsche Zeitung bringen heute einen Nachbericht von der gestrigen Veranstaltung der Landesregierung und der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht. Beide Artikel hat über weite Strecken wortgleich Thomas Kröter geschrieben. Bekanntlich gehören beide Zeitungen zum Kölner Verlagshaus Neven DuMont Schauberg.

Kölner Stadt-Anzeiger, 16.03.10, Titel: Überfordert von der Informationsflut

Immerhin weichen die Überschriften voneinander ab, auch sind zwei unterschiedliche Fotos des „Stargastes“ Frank Schirrmacher (FAZ) zu sehen. Über den Autor des Buches „Payback“ (texthilfe.de berichtete) gibt es jedoch nicht viel zu sagen, außer dass er mit seinem „Kulturpesimismus“ die Vorlage für den Philosophen Frank Hartmann von der Bauhaus-Universität in Weimar lieferte: Neue Techniken zwängten den Menschen zur Veränderung. – Dabei fällt mir der Feuervergleich aus dem Vorbericht im Kölner Stadt-Anzeiger wieder ein.

Der Münsteraner Kommunikationswissenschaftler Christoph Neuberger verdeutlichte hingegen, dass nach wie vor die klassischen Medien die Themen setzten, auf die sich auch Blogger bezögen(wie etwa der weitere Gast Markus Beckedahl von www.netzpolitik.org). Dennoch, so Thomas Kröter in beiden Artikeln abschließend mit der Medienpädagogin Helga Theunert, stehe neben dem Beherrschen der Technik (das Frank Schirrmacher offenbar schwerer fällt), notwendig das Nachdenken darüber, was das Netz mit den Menschen anstelle. Beim Feuer ist es klar: Es wärmt, kann aber auch alles niederbrennen. Beim Internet hieße die Analogie vielleicht: Es klärt auf, kann aber auch zu totaler Verwirrung führen.

Wochenend-Presseschau 10-10

Montag, 15. März 2010

„Alle Menschen werden Brüder“, heißt es in Schillers „Ode an die Freude“, für die meisten unmittelbar als die geniale Komposition Ludwig van Beethovens im Kopf präsent. Nicht ganz so weit geht Wieland Freund, wenn er in der Welt am Sonntag schreibt: „Alle Bücher werden Zauberbücher“. Am Samstag bereits hatte der Kölner Medienrechts-Professor Rolf Schwartmann im Interview mit Tobias Kaufmann im Kölner Stadt-Anzeiger behauptet:

Kölner Stadt-Anzeiger, 13.03.10, Titel: "Das Internet ist wie Feuer"

Dabei teilt er seine Auffassung mit, dass das Internet für ihn sowohl den „Schwarm“ als breite Nutzermasse als auch eine „Fragmentierung der Öffentlichkeit“ erzeugt. Vor dem Hintergrund der Risiken ständiger Selbstdarstellung in Blogs und Sozialen Netzwerken wendet er die Analogie des Feuers an: „Man muss es beherrschen können“. In dem Lernprozess stehen wir vermutlich heute auf einer Stufe mit Urmenschen, wie sie im Film „Am Anfang war das Feuer“ dargestellt werden.

Eine weiterer wichtiger Aspekt, den der befragte Experte anspricht, ist der Wertewandel, den das Internet erzeugt, etwa wenn digitale Mediendateien oder auch nur journalistische Inhalte kostenfrei, dabei häufig illegal herunter geladen werden: „Dadurch (…) droht das Gefühl dafür verloren zu gehen, dass solche Angebote Zeit, Mühe und Geld kosten – und dass die Nutzer der Angebote an den Kosten beteiligt werden müssen.“ Er stellr fest, dass gerade auch Blogger von der Auseinandersetzung mit den klassischen Medien leben. Das kann ich bestätigen! – Hintergund des Geprächs war übrigensdas 4. Kölner Mediensymposium in der Landesvertretung NRW in Berlin zum Thema „Leben im Schwarm – Wie das Internt uns verändert“.

Welt am Sonntag, 14.03.10, Titel: Alle Bücher werden Zauberbücher

Das Thema des Wertewandels behandelt auch Wieland Freund in seinem WamS-Essay. Selbst, wenn das Buch weiter an Bedeutung verlieren sollte (was es nach jüngsten Studien offenbar gar nicht tut), betrachtet er das mit Gelassenheit, denn die Bücher haben heute bereits eine Art „Anti-Medien“-Status erreicht. Sie sind weder in Medienmärkten zu haben, noch werden sie von kindern in derselben Kategorie wahrgenommen wie andere „Medien“. Freund bezweifelt, dass es hilft, wenn Eltern versuchen, ihren Kindern Bücher gegenüber flimmernden Medien schmackhaft zu machen. Denn „Alle Bücher sind Zauberbücher“ und haben auf viele eine magische Anziehungskraft, nicht erst seit Joanne K. Rowlings Harry Potter, in dem selbst „fantastische Speichermedien“ zum Einsatz kommen. Die heutigen Auseinandersetzungen mit bezahlbaren Internetinhalten (Googles Book Settlement, Apples iBook-Store und andere Paid Content-Modelle) erinnern ihn an die Machtkämpfe, die mit Erfindung der Buchdruckerei begannen. Ein sehr interessanter Beitrag zu Lese- und Internetkultur!

Die Schicksalsfrage für Medienunternehmen

Donnerstag, 11. März 2010

Axel-Springer-Konzernchef Mathias Döpfner hat beid er Bilanzpressekonferenz gute Zahlen präsentiert. Der Leser schwankt zwischen Entrüstung und Bewunderung: „Axel Springer kommt gut durchs Krisenjahr 2009“ schreibt das hauseigene Blatt Die Welt (mit Video), „Springer-Chef Döpfner ist Profiteur der Krise“ schimpft dagegen die FAZ. Andere Zeitungen heben darauf ab, dass Der Konzern bereits gut 20 Prozent seiner Umsätze mit digitalen Angeboten macht. „Springer holt Zuwachs aus dem Netz“, so die FTD und die Börsen-Zeitung titelt: „Springer wird zum Online-Unternehmen“.

Die Welt, 11.03.10, Titel: Axel Springer kommt gut durch das Krisenjahr 2009

In der Welt lautet das erste Zitat des Konzernchefs selbstbewusst: „Es gebe kein vergleichbares Medienunternehmen, das so erfolgreich durch die Krise gesteuert sei wie Axel Springer.“ Danach folgen die aktuell sehr ungewöhnlichen Ergebnisse: „Jeder achte Euro vom Umsatz ist Gewinn gewesen“, so Mathias Döpfner in der Welt, und weiter: „wir schlagen eine Rekorddividende vor, die Eigenkapitalquote wurde auf über 40 Prozent erhöht und die Verschuldung de facto auf Null abgebaut.“ Sogar die Mitarbeiterzahl konnt leicht erhöht werden.

Der Heilsbringer waren in der Tat die im Umsatz um 24,4 Prozent gestiegenen Internetaktivitäten, wobei sogar 30 Prozent aller Werbeerlöse auf digitalen Plattformen erzielt wurde. Dieser Weg soll fortgesetzt werden. die Hoffnung ruht auf „journalistischen Angeboten für das Internet und mobile Endgeräte.“ Bis Ende 2009 wurden von den kostenpflichtigen Apps für „Bild“ und „Welt“ 100.000 verkauft. Entsprechende Angebote für das iPad soll es ab dem Frühjahr geben. An der Fähigkeit, Geschäftsmodelle für den Qualitätsjournalismus zu entwickeln, enstcheide sich „die Schicksalsfrage für Medienunternehmen“. Auf die gute Internet-Entwicklung geht die FAZ bei insgesamt sinkenden Vertriebserlösen der inländischen Springer-Zeitungen jedoch nicht ein

Auch die guten Konzernzahlen sieht die FAZ dagegen kritisch: Der bereinigte Konzernüberschuss ssei um 40 Prozent auf 152,6 Millionen Euro gesunken, doch die Gesamtvergütung des vierköpfigen Vorstands um 35 Prozent auf 17,7 Millionen Euro gestiegen. Nicht zuletzt käme die Rekorddividende von 4,40 Euro je Aktie auch Mathias Döpfner als Großaktionär zugute. Das Wort des „Profiteurs der Krise“ hatte der Konzernchef offenbar übrigens selbst auf die „Bild“ angewandt, bei nur 3,7 Prozent Auflagenrückgang. Sondererlöse stammten aus dem Verkauf von Beteiligungen, so der „Leipziger Volkszeitung“, den „Lübecker Nachrichten“ und den „Kieler Nachrichten“ an die Verlagsgruppe Madsack. Die Müncher-Wirtschaftsmedien „Euro“ und „Euro am Sonntag“ stünden vor dem Verkauf oder dem Aus.

Börsen-Zeitung, 11.03.10, Titel: Springer wird zum Online-Unternehmen

Auf die Fantasie der küpnftigen Online-Entwicklung sopringen jedoch sowohlö die Börsen-Zeitung als auch die Financial Times Deutschland an. Beide machen ihren Bericht damit auf, dass der Verlag Axel Springer bis in spätestens sieben Jahren, mögcherweise aber auch schon in zweien, die Hälfte von Umsatz und Gewinn im Internet erwirtschaften möchte. Das Online-Geschäft dürfte auch in Zukunft die weiter rückläufigen Print-Aktivitäten mehr als kompensieren, vermutet die Börsen-Zeitung. Die aktuelle Schuldenfreiheit bezog Döpfner dem Artikel zufolge auf das Einrechnen der selbst gehaltenen Springer-Aktien. Jedenfalls ermöglichten der Free Cash Flow als auch eine Kreditlinie über 1,5 Mrd. Euro „das Unternehmen transformierende“ Akquisitionen.

Was für Akquisitionen das sein könnten, ließ Mathias Döpfner offen. Dem bisher Gelesenen zufolge dürften sie sich in Richtung Online-Business bewegen. In diesem Zusammenhang stellt Lutz Kappmann in der FTD fest, dass trotz der „Schicksalsfrage“ und Döpfners Behauptung, dass am Ende der Inhalt zähle und nicht der Vertriebsweg, bisher der Großteil der Axel Springer-Online-Erlöse nicht aus journalistischen, sondern aus Service-Proukten stamme (Stepstone, Immonet, Werbevermarkter Zanox).

FTD, 11.03.10, Titel: Springer holt Zuwachs aus dem Netz

Beim „Hamburger Abendblatt“ werden aktuell kostenpflichtige Inhalte angeboten, über deren Akzeptanz nichts bekannt wurde. Die iPhone-Apps von „Bild“ und „Welt“ werden bzw. wurden bereits auf monatliche Abo-Modelle umgestellt. Bei den kommenden iPad-Anwendungen sollen bestimmte digitale Angebote künftig über die Telefonrechnung der Telekom laufen können. Den Wettbewerb mit weiteren Online-Kiosken begrüßte Mathias Döpfner offenbar, sei es der geplante Onlione-Kiosk der Telekom oder sei es der von Bertelsmann, solange nur Technologiekonzerne wie Apple nicht in die Inhalte der Verlage eingriffen. Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.